Nach jahrelanger Depression schöpft Abdelillah wieder Mut
Abdelillah hat bei bewaffneten Konflikten vor über zehn Jahren ein Bein verloren und stürzte in eine tiefe Depression. Im Jahr 2014, als der IS die Region eroberte, flohen Abdelillah und seine Familienmitglieder in den Norden des Landes. Im Rahmen der Unterstützung für irakische Geflüchtete bot Handicap International Abdelillah psychosoziale Unterstützung und Reha-Maßnahmen an.
Abdelillah befindet sich in einem Raum und schaut an der Kamera vorbei | © E. Fourt / Handicap International
Zur falschen Zeit am falschen Ort: viele Geschichten von Unfällen fangen so an. Abdelillahs Geschichte ist nur eine von vielen Beispielen. "Es war 2005", erinnert er sich beim Besuch des psychosozialen Teams von Handicap International in seiner bescheidenen Unterkunft, die er zusammen mit seiner Familie im Gouvernement Kirkouk bewohnt. "Damals lebte ich in einem Dorf im Zentrum des Iraks. Eines Tages war ich auf der Straße unterwegs, als es einen Autobombenangriff gab. Schnell kam es danach zu einem intensiven Schusswechsel. Eine Kugel traf mein Bein und ich habe das Bewusstsein verloren. Einige Stunden später wachte ich im Krankenhaus auf und ich schockierte stellte ich fest, dass man es mir amputiert hatte. Immer wieder dachte ich, dass ich das nicht verdient hatte, dass mein Leben so keinen Sinn mehr hatte. An dem Tag fiel ich in eine schwere Depression, die mehrere Jahre anhielt."
Shwan, psychosozialer Mitarbeiter für Handicap International, hört Abdelillah geduldig zu, während er weitererzählt. "Auch einige Monate nach der Operation hatte ich noch regelmäßig Alpträume. Ich hatte den Eindruck, dass ich auf dieser Welt nicht mehr meinen Platz hatte. In unserer Gesellschaft schenkt man Menschen mit Behinderung nur sehr wenig Aufmerksamkeit… 2014 hat sich alles noch verschlechtert. Wir mussten aus unserer Stadt fliehen, ich und meine Familie, weil der IS in unserer Region immer näher kam… Zuerst blieben wir einige Monate in Bagdad, aber das Leben war dort zu schwer für uns. Wir haben uns dann entschieden, nach Kirkuk im Norden zu gehen, ohne zu wissen, in was für einer Situation wir uns befanden."
Im gleichen Jahr startete Handicap International Notfallmaßnahmen um auf die doppelte Krise zu reagieren: Vertreibungen innerhalb des Landes und einem Zustrom hunderttausender Syrerinnen und Syrer, die dem Krieg im Nachbarland entflohen. 2015 bauten wir unsere Aktivitäten im Gouvernement Kirkuk auf, das zu diesem Zeitpunkt bereits zehntausende Geflüchtete und Vertriebene aufgenommen hatte. Die breit angelegten Aktivitäten umfassen seitdem so unterschiedliche Bereiche wie Sensibilisierung über die Gefahren von Minen, Krankengymnastik, psychosoziale Unterstützung und Schutz für besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen.
"Wenn ich anderen amputierten Menschen einen Rat geben könnte, würde ich ihnen sagen, dass sie nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft blicken sollten. Nur so kommen sie aus diesem Loch." - Abdelillah.
Anfang 2016 klopfte ein Team zur Aufklärung über die Risiken von Minen bei einem seiner alltäglichen Touren an Abdelillahs Tür. Unsere Fachkräfte bemerkten seinen schlechten Zustand sofort und schlugen ihm vor, an psychosozialen Gruppensitzungen teilzunehmen. "Am Anfang wusste ich nicht mal, was psychosoziale Unterstützung bedeutet", erinnert sich Abdelillah. "Ich bin hingegangen, um es mal auszuprobieren, aber ich ahnte nicht, dass diese Sitzungen mein Leben verändern würden… Von der ersten Sitzung an habe ich verstanden, dass meine Stimmung viel mit meiner Einstellung zu meinem Leben zu tun hatte. Ich habe auch realisiert, dass die Leute sich für mich interessieren und, dass meine Behinderung nicht dazu führt, dass sie sich nicht um mich kümmern. Mit ist außerdem klar geworden, dass andere Personen in der gleichen Situation sind, wie ich."
"Der Fortschritt, den Abdelliah in so kurzer Zeit gemacht hat, ist beeindruckend" fügt Shwan hinzu. "Er ist aufgeblüht, und viel positiver als am Anfang. Die Sitzungen wirken ganz offensichtlich." Seit dem Eingreifen von Handicap international hat Abdelillah seine Hoffnung wiedergefunden und denkt wieder an die Zukunft. Er plant, bald seinen eigenen Mobilfunkladen aufzumachen, und in seinen Heimatort zurückzukehren, sobald dort wieder Frieden herrscht.
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